17.5.06

Konrad K. R.I.P. (ergänzt)

Vielleicht nicht die beste Idee diesen Blog mit einem Nachruf zu beginnen ...

Am 11.Mai verstarb Konrad Carls, einigen sicher eher unter seinem Künstlernamen Konrad K. bekannt. Konrad war 1 Jahr jünger als ich und wir begegneten uns erstmals im Herbst 1979 in der blühenden Punkszene Hannovers, als ich in meinem Fanzine Muzak eine Autogrammkarte der Teens verwendet hatte mit dem Kommentar, das sei die neue Autogrammkarte der Kondensators. Dafür drohte mir die Band, bei der damals Konrad Bass spielte - ich spielte Bass bei TBC - Prügel an. Wir standen auch mal gemeinsam auf der Bühne spontan nach einem Konzert von Charge im UJZ Kornstraße und spielten Blitzkrieg Bop von den Ramones. (Weshalb es mich irritierte, dass Konrad wenig Verständnis dafür hatte, dass ich nach dem Tod von Dee Dee Ramone dessen Foto auf die Startseite von Legal Kriminal packte.) 1980 verlor ich Konrad aus den Augen, weil ich "musikalisch falsch abbog", soll heißen, ich hörte Public Image Ltd. und die ganzen anderen musikalischen Innovationen, die aus England, den USA und dem Ruhrgebiet kamen. Konrad blieb als Bassist bei Klischee und danach als Gitarrist und Schlagzeuger der Abstürzenden Brieftauben den Punkwurzeln treuer, aber das interessierte mich damals nicht mehr. Der Graben zwischen den Gossenkids und den Nordstadtnegern, die beiden Fraktionen der Szene - symptomatisch für die ganze Szene in Westdeutschland - war ziemlich tief.

In der 80er Jahren spielte ich bei Beatklub und danach in diversen Übungsraumlöchern, ohne je herauszukommen. Anfang 1994 las ich eine Kleinanzeige in einem hannoverschen Stadtmagazin, wo ein Gitarrist für eine Punkband gesucht wurde. Crissi, Konrads - damalige, obwohl die Beziehung ziemlich lange ging - Lebensgefährtin, hatte sie aufgegeben und als ich zum Gespräch vorbeikam erinnerte er sich an mich und 1979. (Nebenbei, noch ein anderer alter Punk-Sack reagierte auf die Anzeige: Horst Illing von Rotzkotz, der sich aber mit seiner Reaktion "Du bist ja ein Mädchen" darauf, dass sich Crissi am Telefon meldete, sofort unmöglich machte). So wurde ich Gitarrist bei Crassfish und im nachhinein bin ich Crissi und Konrad dankbar, dass sie mir die Chance gegeben haben, mich meiner Wurzeln zu besinnen und aus meiner Lebenskrise herauszukommen. Konrads Rolle bei Crassfish war eher die des Begleitmusikers, wobei ich nicht genau weiß, warum das so war - wir haben leider nie darüber gesprochen. Die Brieftauben waren damals in einer Krise, suchten nach einer neuer Richtung und lösten sich schließlich auf. Konrad wurde Bassist bei Rasta Knast, aber auch da hatte er neben HöhNIE und Martin K. eher die Rolle des Begleitmusikers. Als Rasta Knast zerbrachen und auch Crassfish sich dem Ende zuneigte entstanden Legal Kriminal, wo ich an dem Song "Abenteuer Sozialstaat" von Konrad - von ihm stammt der Text - und HöhNIE mitgeschrieben habe. Aber in der kurzen Spanne der Existenz dieser Gruppe wurde uns allen klar, dass Konrad gerne auf der Bühne stand, aber nicht so gerne als einer unter vielen, sondern eher als Frontmann - ob das auf die Dauer mit HöhNIE in der Band gut gegangen wäre weiß ich nicht, obwohl HöhNIE gerne gesehen hätte, dass sich Konrad mehr in die Band einbringt, aber vielleicht war Konrad dafür noch nicht so weit. Mit WKA - Wir können auch anders kam Konrad seinem Ziel wieder nahe, er schrieb neue Songs und stand im Mittelpunkt der Band.

Nach den Ende der Brieftauben stand für Konrad die Option im Raum, einem eher bürgerlichen Broterwerb nachzugehen, so wie es Mirko, David Spoo, sein Freund von den Kondensators und Klischee, sowie Gastmusiker bei den Tauben, Crissi, HöhNIE und auch ich machen, und er versuchte es mit seiner Plattenfirma Highdive, aber Konrad merkte schließlich, dass seine eigene Kreativität mehr Raum brauchte und er akzeptierte die daraus entstehenden Entbehrungen. Seine Frau Birgit unterstützte ihn dabei, wie auch er sie bei ihrer Arbeit als Reiseführerautorin, wofür beide ein halbes Jahr auf Kuba recherchierten - das Buch ist leider augenblicklich vergriffen.

Es ist interessant sich dabei zu beobachten, wie mensch beim Schreiben dieses Textes alle negativen Erfahrungen ausblendet, aber ich glaube das liegt in der Natur des Menschen, dass wir die Vergangenheit verklären, und vielleicht ist einiges von dem, was in dem Text steht gar nicht real, sondern nur Wunschdenken, aber das gilt dann auch für alle anderen Nachrufe. Aber vielleicht will ich auch niemanden der noch lebt verletzten, denn das Schreiben im Internet ist ja eine ganz andere Art der Kommunikation als das direkte Gespräch, da kann mensch verunglückte Äußerungen nicht einfach zurückziehen und als dem kollektiven Gedächtnis streichen.

Ich bin etwas erstaunt darüber, dass die Nachricht über Konrads Tod zwar schnell und weit die Runde gemacht hat, aber die Reaktionen im Kondolenzbuch http://www.kirche-laboe.de/wka/php/index.php doch etwas spärlich ausfallen. Ich denke auch, dass sich Konrad über den Spruch der Öhsen Bonkels "Nur die Besten sterben jung!" sehr geärgert hätte. Nicht nur, dass 44 Jahre nicht wirklich jung sind, sondern weil seine politische Meinung denen dieser Rechtsrocker diametral gegenüberstand (Anekdote am Rand: Die Cretins, hannoversche Punkband von 1979, hatten damals einen Song mit dem Titel "DDR" und dem Refrain "DDR, DDR, ihr seid uns Jahre hinterher, DDR, DDR, arg, ihr rafft nichts mehr", mit dem Konrad ziemliche Probleme hatte. Ja, wir waren alle jung, unwissend und dogmatisch damals.). Auch andere Einträge wie "Mögest Du da wo Du jetzt bist es besser haben als hier" finde ich ärgerlich, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Konrad irgendeinen Glauben ans Jenseits hatte. Ich übrigens auch nicht. Es gibt kein Leben im Jenseits, mit dem Tod ist alles aus, und daher helfen Nachrufe auch keinem Verstorbenen. Sie helfen den Überlebenden (und ist auch der einzige Zweck einer kirchlichen oder nicht-kirchlichen Trauerfeier, den ich positiv finde) - und daher waren meine anfänglichen Bedenken, wie viel ich von mir in diesem Nachruf thematisieren sollte falsch, denn der Nachruf soll Trost spenden den Überlebenden, also auch mir. Und natürlich gibt es ein ewiges Leben - im Diesseits, denn solange es Menschen gibt, die sich an jemanden erinnern, lebt der Mensch weiter, und Konrad hat uns viel Musik hinterlassen, die wir immer wieder hören können. Es ist schmerzlich, dass nichts neues mehr hinzukommt, aber wir können dankbar sein für das, was er uns hinterlassen hat.

Legal Kriminal "Abenteuer Sozialstaat" (mp3)
http://www.legal-kriminal.de
http://www.highdive.de/h/crassfish
http://www.wka-online.de.vu

Nachtrag (30.5.06):
Laut David Spoo war das Problem, dass er und Konrad mit dem Cretins-Song "DDR" hatten kein "marxistisch-leninistisches", sondern es war der Vorwurf "Was interessiert mich die DDR, wir leben hier in der BRD", also eher der Vorwurf an die Cretins, ähnlich wie OHL einen bürgerlichen Standpunkt einzunehmen – was dann auch die Songs "Heimkind" und "Walter" in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt – anstatt sich um das zu kümmern was einen wirklich betrifft.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Und weisst du, was ich irgendwie schändlich finde? Zum einen hat niemand eine Chance, in dieses Kondolenzbuch einzuschreiben, weil es inzwischen vom Server genommen wurde (wegen 1000 neuer Spameinträge pro Stunde) und niemand von seinen "Freunden" hat es in den letzten Wochen geschafft, mal so ein dämliches neues Gästebuch auf die Seite zu setzen,... und zweitens,... es gibt immer noch kein Tributalbum an den vielleicht wichtigsten Punk, den es seit den 80ern gab (oder noch länger?). Konrad is seinem Motto die ganze zeit über treu beblieben, und so manch anderer Punk von früher ist bieder geworden und hat sich für die Normalität entschieden, stumpfsinnig vor sich hin zu leben und nicht mehr nachzudenken. Konrad hat wirklich an seine Sache geglaubt, die ganze Zeit. Und ich vermisse ihn jetzt schon, obwohl ich ihn nicht persönlich kannte. Aber Leute wie ihn gibt es selten!!!
R.I.P. Konrad
Sandra

martinf hat gesagt…

Hallo Sandra,
erst mal danke, dass sich überhaupt jemand für diesen Blogeintrag interessiert. Zum Kondolenzbuch sage ich nichts, aber ich sehe, dass Du Dich bei Legal Kriminal eingetragen hast. Was einen möglichen Tribut-Sampler betrifft, so denke ich, dass erst mal alle darauf warten, dass Mirko das mit Konrad angefangenen Projekt einer Brieftauben-DVD fertig stellt. Dafür hat er ja zusammen mit Konrad einen Song aufgenommen, der auch bei der Trauerfeier gespielt wurde und ziemlich gut ist. Meine Idee war ja spontan, diesen Song zusammen mit der letzten Aufnahme von WKA als Single rauszubringen, aber ich habe gehört dass die WKA-Aufnahme nicht veröffentlichungsreif ist. Ansonsten denke ich dass eine gewisse Scheu besteht, sich den Vorwurf des Ausschlachtens von Konrads Tod einzuhandeln. Die Frage ist auch, was der Tribut-Sampler beinhalten soll. Einfach nur Bands die seine Songs spielen? Gibt es doch schon, die "Ist es wirklich schon so spät"-CD. Ansonsten, irgend ein anderer Vorschlag?

Anonym hat gesagt…

Japp, es gibt einen anderen Vorschlag, denn Kapital aus seinem Tod will auch ich nicht schlagen, nie im Leben nich!
Es gibt bestimmt genug Bands, die im Gedenken an Konrad in den letzten Wochen und Monaten Songs live gespielt haben, ihm ein Stück gewidmet haben, vielleicht sogar eins geschrieben? Diese Songs können auf die CD, keine Coverstücke, nein, eher die musikalischen Erinnerungen an diesen Menschen, und das von Bands, die ihn und seine Musik liebten. Der Erlös vom Kauf dieser CD geht dann an ein Krankenhaus oder so, wo herzkranke Kinder behandelt werden oder ähnliches, ein richtig guter Zweck halt.
Mein Vorschlag...
Aber ich will hier niemanden drängeln oder ans Bein pinkeln... Es waren nur meine Gedanken zu diesem Blogeintrag...