22.4.07

Popmusik und Politik


Holger: Während ständig jetzt die Musik aus dem Lautsprecher ertönt leistet sich das Fernsehen uns so die Frage zu stellen, dass wir in Begriffen über das antworten sollen, was im Augenblick die Musik sagt.
Irmin: Das Fernsehen ist unheimlich interessiert an der politischen Meinung von Beatmusikern weil die können nicht reden. Das Fernsehen ist absolut nicht interessiert an der politischen Meinung derer, die auch Sozialismus und eine Gesellschaft wollen, die menschlicher ist, aber dies reden können. Ich bin unsicher. Ich weiß viel zu wenig. Und also soll ich im Fernsehen verkünden was ich weiß, das bisschen, damit das Fernsehen in seiner gloriosen gesellschaftskritischen Funktion mich zum Beispiel nehmen kann, verkünden kann: seht, die wissen ja gar nicht was sie wollen.
Jaki: Also hier ist es sehr kalt.
Irmin: Wie gesagt, ich soll eine Stellung einnehmen, die nicht manipuliert werden, und zwar möglichst einfach. Das heißt, ich soll einen ungeheuer ökonomisch komplizierten Prozess so grob vereinfachen, dass er konsumierbar wird.
Interviewer: (unhörbar)
Irmin: Das ist ein Alibi fürs Fernsehen.
Michael: Es hat niemand vom Fernsehen einfach die Musik gewollt.
Interviewer: Warum nicht?
Michael: Ich weiß es nicht.
Irmin: Dem Fernsehen ist klar, dass ein bisschen, nur sehr wenig An(griff/fang) sein kann, aber ein bisschen von der Revolution, die wir wollen, in der Musik enthalten ist. Man kann das bisschen aber zerstören, indem man die Musiker in eine Lage manipuliert, in der sie mit Worten ihre Musik interpretieren sollen, und das geht 100% schief. Und damit hebt es sich wieder auf und das Fernsehen hat erreicht, was es wollte.
Damo (schweigt)
Michael: Gibt es noch irgendwas zu sagen?
Irmin: Es gibt unheimlich viel noch zu sagen!!
Michael: Ich meine zu beantworten. (Pause) Wir haben von Anfang an nichts zu sagen gehabt. (lacht)
(CAN Interview, WDR-Fernsehen 1971)


Official translation:
Holger: Now we constantly hear the music coming out of the speakers, and television goes as far as asking us for terms about what the music is really saying in that moment.
Irmin: Television is immensely interested in political opinion of beat musicians, because they cannot talk. TV is not at all interested in the political opinion of people who also want socialism and a more human society, since they can spell 'it' out. I am insecure. I know much too little, bits on television, so that television, in its function being gloriously critical of societsy, can tale me as an example? So that it can preach: look, they do not know what they want.
Jaki: It is freezing in here.
Irmin: As I said, I should take a manipulated position. And this as easily as possible. That means I should simplify an immensely complicated economic process so that it can be consumed.
Interviewer: (not audible)
Irmin: This is an alibi for television.
Michael: Nobody ever only won music out of television.
Interviewer: Why?
Michael: I don't know.
Irmin: Television knows that a 'little bit', only a little bit can be included. But that this bit of the revolution that we want is included in the music. But you can destroy this little bit when you manipulate the musicians in such a way that they are forced to interpret their music with words, and this cannot work. With that it takes off again and watching television has achieved what it wanted.
Damo (silence)
Michael: Is there anything left to say?
Irmin: There is so much left to say!!
Michael: I mean about answers. (pause) There was never anything to say from the start anyway. (laughs)
(CAN Interview, WDR-TV Germany 1971)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ja, und?

ich hab das Interview auch gesehen und - bei aller Sympathie sonst für Can und Irmin Schmidt - fand diese Passage reichlich besserwisserisch und angestaubt. Keiner außer "Linksbewegten" dürfte damals oder heute auch nur eine Sekunde davon ausgehen, dass irgendeine Revolution von einer Musiksendung ausgehen könnte. Und das Politiker im TV kochen, Maler singen, Musiker quatschen, Schauspieler philosophieren usw. ist wohl eher dem angeblichen! Bedürfnis des vorausgesetzten Normaldummguckers nach ihn nicht überfordernder "Unterhaltung" geschuldet als irgendeinem politischen Kalkül.

martinf hat gesagt…

offensichtlich hast du die 70er jahre nicht selbst erlebt und auch die großartige kraut-rock-doku-serie "kraut und rüben" vom wdr 2005 nicht gesehen, jedenfalls offenbart dein kommentar null ahnung vom damaligen zeitgeist - zumal es noch nicht mal fernsehprogramme für "normaldummgucker" gab, he, damals lief vormittags noch das testbild im fernsehen oder eine direktübertragung aus dem bundestag, und "zappen" konntest du nur zwischen 3 westdeutschen kanälen, ard, zdf und dein lokales drittes, wo zumeist schulfernsendungen liefen wie "les gammes n'existe pas", hö hö hö